Das Schubladendenken

Meinen Trip nach Berlin verdanke ich einem 4 tägigen Kommunikationskurs, den ich sehr spannend fand. An sich wurde uns nichts wirklich Neues beigebracht sondern eher altbekanntem einen Namen gegeben und zumindest für mich, noch einmal die Dynamik und verschiedenen Wege in der menschlichen Kommunikation neu beleuchtet. Jeder kennt das, es gibt Menschen, mit denen du sofort auf einer Wellenlänge bist und eben die anderen. Ich bin auch nur ein Mensch, der nicht unbedingt aus seiner Haut herauskommt und stehe mir mit dem Versuch, andere nicht gleich zu verurteilen oft selbst im Weg. Das Schubladendenken ist ein echter Fluch und ich wehre mich oft verzweifelt dagegen um fest zustellen, dass irgendjemand plötzlich doch in selbiger gelandet ist. Leben und Leben lassen begleitet mich schon seid meinen Kindertagen. Dennoch hatte ich gleich zu Beginn dieses Kurses ein AHA-Erlebnis. Neben Theorie wurden uns immer Videobeispiele mit Schauspielern gezeigt, entweder total negative oder extreme ins positive verzerrt. Anschließend durften wir selbst mit der Videokamera Situationen nachstellen und uns ein offenes Feedback einholen. Gute Mischung! Und viele verschiedene Blickwinkel, die ich mir im Kopf behalten will. Heute kommt aber nur ein Thema für euch. Die Schublade!

Was die Videobeispiele angeht hatte ich sofort das Objekt meines Hasses entdeckt! Stefan war sein Name und er hatte alles, was ich hasse. Er war unglaublich von sich überzeugt und musste sich aufblasen, bis man der Meinung war, er würde gleich platzen. Seine Person war die Wichtigste und musste immer bis spät Nachts arbeiten, weil niemand sonst in der Lage war, das zu leisten, was er konnte. Gleichzeitig war er noch ein Schreihals, bei jeder Gelegenheit wurde er laut und lies seine Kollegen spüren, dass er sie keinen Meter respektiert. Mit seiner Aufgeblasenheit konnte ich noch einen Weg finden, einfach reden lassen. Was mich echt agressiv gemacht hat war sein Schreien. Sich der Kollegin gleich agressiv zu nähern und sie in Grund und Boden zu schreien. Die Schublade in meinem Kopf stand sperrangelweit offen und der liebe Stefan musste keinen Schritt mehr tun, er war drin und die Schublade zu. Und dort blieb er auch! Bis zum 3ten Seminartag. An diesem änderte sich mein Bild komplett. Die Situation, die alles über den Haufen geworfen hat, gestaltete sich wie folgt. Stefan wurde zu einem Termin bei seinem Kunden eingeladen und dort ab betreten der Tür angebrüllt, für unfähig befunden und nieder gemacht. Absolut kein Erlebniss, dass ich teilen möchte.

In meinem Kopf hat es sofort klick gemacht! Na klar, jetzt verstehe ich! Die Kette des Anbrüllens! Die Welt ist um eine weitere Wissenslücke durch diese Die How I met your Mother Folge gefüllt worden! Einen Lehrer wie Barney hätte ich zu gerne gehabt.

Barney: „Und ‚die Kette des Anbrüllens‘ beginnt ganz oben. Der Boss von Arthurs Cheffin brüllt sie an. Arthurs Cheffin, brüllt Arthur an. Arthur wiederrum brüllt dich an. Du fährst Heim un brüllst Lily an. Lily brüllt eines der Kinder in ihrem Kindergarten an. Das Kind brüllt seinen Papa an, den Boss von Arthurs Cheffin! Und der ganze Zirkus fängt wieder von vorne an und vervöllständigt den Kreislauf des Anbrüllens.“
Ted: „Hattest du vorher nicht von einer Kette gesprochen?“
Barney: „Vom Kreislauf, ich habe es Kreislauf genannt.“

Alles machte Sinn und ich konnte sogar mit Stefan mitfühlen. Natürlich ist sein Verhalten gänzlich falsch, aber ich riss die Schublade auf, holte den Kerl da raus und musste wiedereinmal zugeben, der Eindruck kann mich schwer täuschen! Wie Menschen handeln und warum kann man nur verstehen, wenn man alles Seiten kennt. Jeder hat schlechte Tage oder macht Fehler und es liegt an meiner Einstellung, ob ich ihnen diesen Raum zugestehe oder nicht. Vielleicht möchte ich Dinge sehen, um mich selbst zu bestätigen, ob wohl diese gar nicht da sind? Ich kann es mir jedenfalls sehr einfach machen und die Menschen wegsperren. Aber das bin nicht ich.

3 Kommentare

  1. Hey,
    interessante Geschichte, die auch zu meinem Blog passen würde finde ich. Das Schubladen-Denken ist bei Menschen so normal geworden, dass wirklich beinahe niemand mehr darüber nachdenkt. Es ist so normal, dass es unglaublich klingen würde, nicht so zu denken. Im Leben ist man ständigen Beurteilungen ausgesetzt und irgendwann wird man selbst so. Eltern beurteilen Kinder ob sie etwas brav gemacht haben oder nicht, in der Schule werden die Leistungen benotet und in der Arbeit wird man auch beurteilt. Man kennt ja irgendwie nichts anderes.
    Erst das selbstständige Denken bringt einen Menschen dazu, tiefer zu graben und nicht alles so zu sehen wie es vor einem liegt. Man sucht nach der Ursache, warum etwas so ist. Jeder Mensch, der Zeitung liest weiß nur das, was dort auch steht. Aber warum ein Ereignis geschehen ist und was dem alles vorausging wissen wir nicht. Die große philosophische Frage nach dem "Warum?" stellen sich eben nur wenige Menschen. Deshalb fällen wir auch immer wieder ein schnelles Urteil.
    Ich finde es auch nicht ok, wenn jemand andere Menschen anschreit nur weil er selbst angeschrien worden ist. Irgendwie verstehe ich, dass es soweit kommen kann, aber ok ist es niemals. Ich glaube immer noch, dass es nichts gibt, was es rechtfertigt, andere Menschen zu beleidigen oder zu verletzen. Wenn mich jemand anschreit, bekommt er das genauso zurück. Da bleibe ich bestimmt nicht ruhig am Sessel sitzen. Entweder erzählt er mir was wirklich los ist, oder er lässt es. Aber das Recht darauf hat er nicht, wer das bei mir darf bestimme ich dann schon lieber selbst.

    Es ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was wirklich immer wieder passieren kann und sich zu überlegen wie man damit umgeht. Menschen zu verstehen ist ein schwieriger Punkt, aber man sollte sich die Mühe machen. Dazu muss man eben miteinander reden. Das gilt auch für Stefan. Denn wenn niemand mit ihm spricht, oder er mit niemandem spricht, dann wird er sich auch nie ändern und es wird sowohl ihm als auch seinen Mitmenschen schaden. Denn Menschen, denen er damit schadet, werden sich schnell von ihm abwenden.
    Viel Raum zum Nachdenken, so gefällt mir das 😀
    Ich könnte noch einiges weiter schreiben, aber jetzt brauch ich mal einen Kaffee. 😛
    Ich mag das Schubladendenken ja selbst nicht und verurteile es auch sehr oft, ich umgebe mich aber lieber mit Menschen, die mit mir sprechen und von denen ich weiß, warum sie so sind wie sie sind. Aber meine Neugier erlaubt es mir immer wieder, auch bei anderen Menschen tiefer zu graben und nach der Ursache zu suchen. 😉
    Liebe Grüße und einen schönen Tag wünsche ich dir.
    Danny

    • Du hast das noch besser auf den Punkt gebracht wie ich, Danke schön! Denken ist für viele wohl einfach zu Aufwenig geworden. Bestes Beispiel sind Kommentare und Zeitungsartikel in Facebook oder ähnlichen Foren, wo bei dem ersten, negativen, Kommentar schon klar wird, dass sich diese Person überhaupt gar nicht durchgelesen hat, um was es geht oder nur das gelesen hat, was sie lesen wollte um sich aufzuregen, Schubladen aufzureißen und hässliche Dinge zu schreiben. Mir passiert das auch mal, aber immerhin behalte ich unqualifizierte Meinungen dann auch einfach mal für mich. Und der Punkt mit jemanden zum Reden haben ist ganz besonders wichtig! Wenn ich mich auf der Arbeit aufrege dann spreche ich mit einem Kollegen von mir, dem ich vertraue, und oft rückt er mir den Kopf zurecht indem er mir einfach hilft zu erkennen, ob ich überreagiere, wo der Fehler liegt oder das ich einfach einen falschen Ansatzpunkt habe. Das hilft mir dann auch bei der nächsten Situation weiter.

  2. Liebe Chrissy,
    natürlich habe ich schon mal jemanden in die Schublade gesperrt, aber auch manchen wieder rausgelassen…weil ich mir Gedanken um das "Warum" gemacht habe. Ich mache mir oft Gedanken über andere Menschen und analysiere…bin immer auf der Suche nach dem "Warum"…

    Toller Post, mal was anderes
    liebe Grüße
    Petra

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