Wieso soll ich mich kurz fassen?

Geschwätzig will niemand sein, aber ist es wirklich so schlimm, mehr als nur vier Wörter am Stück zu formulieren? Egal ob es jetzt ums reden oder schreiben geht. Ich reihe gerne viele Wörter und Adjektive aneinander, erfinde auch gerne eine neue Wortkreation und verzapfe noch mehr Unsinn. Es macht Spaß und es amüsiert die Menschen um mich herum. Selbst wenn sie nur über meine große Klappe uns sinnfreien Äußerungen lachen sollten. Es geht ihnen gut dabei, sie fühlen sich besser und sind vom Stress und ihre Problemen mal für fünf unschlagbare Minuten abgelenkt. Dagegen hat doch keiner was?

Egal wohin ich blicke, besonderst im überall präsenten Internet, fassen sich Menschen kurz. Jeder will was sagen, sich äußern, seine Meinung und Gedanken in die Welt schreien. Aber das immer nur in einem Satz, der soll dann kreativ, spontan, prägnant, und aufregend sein. Schließlich lautet das Klassenziel möglichst viele Kommentar und noch mehr Gefällt-mir-Drücker als andere zu bekommen. Das Problem ist nur, wer soll meine Meinung oder Äußerung wirklich verstehen und beurteilen können, wenn ich sie nicht erkläre? Wieso fassen wir uns so kurz, wenn es uns darum geht der Welt etwas so Wichtiges mitzuteilen? Natürlich bin ich dankbar, wenn niemand einen Roman über seinen letzten Toilettenbesuch verfasst, aber ich bin noch dankbarer, wenn der jenige dies auch als kurzes Statement in unserem Fratzenbuch unterlässt. Manches will die Welt einfach nicht wissen und was sie wissen will geht irgendwie unter, weil die Botschaft in sechs Wörtern nicht rüberkommen kann.

Wir leben in einer Welt, in der schnell etwas gepostet werden muss und schnell bedeutet scheinbar so wenig wie möglich schreiben und lesen zu müssen, aber jeder ist im Bilde. Schwachsinnig oder? Wer eine Meinung haben will, der soll sie auch vertreten und das geht nicht in 140 Zeichen. Schon mal versucht sich per SMS mit jemandem zu streiten? Auch das macht nur Spaß und befreit, wenn man Reaktion und Aktion direkt erleben kann und nicht 10 Minuten auf ein Piepsen warten muss. Wo bleibt da der Stress, die Tränen, die Schreie, das Gefühl sich so richtig an jemandem auszulassen? Und dann die Versöhnung? Der ganze Gefühlscocktail in 10 harten und erlebnisreichen Minuten, die in einer Umarmung ein erlösendes Ende finden?

Also wer was sagen will, der soll auch Worte benutzen. Dann müsste man halt mal die Hosen runterlassen, wäre dann natürlich auch viel angreifbarer. Wer viel sagt, bietet immer viel Angriffsfläche. Aber egal, darum geht es doch, der Austausch mit Menschen, sprechen und angesprochen werden. Die besten Witze entstehen in einer Gruppe, jeder schießt eine Idee bei, jeder lacht, man schaukelt sich gegenseitig hoch und erfreut sich an den glücklichen Gesichtern. Mal ehrlich, wer greift heute noch zum Telefon und denkt sich, Mensch, schon lange nix mehr von dem gehört, den ruf ich jetzt mal an und frag was er so treibt. Nein, stattdessen schicken wir ne SMS oder hinterlassen ein „meld dich mal wieder“ auf seiner Profilseite, irgendein Depp wenn nicht er selbst klickt dann auch noch „Gefällt-mir“ dazu.

Wer kein Whats app oder icq hat, wird vergessen.
Wer nicht online ist übersehen.
Wer Instagramm nutzt, ist Analphabet.
Wer nichts kommentiert, der mag uns nicht.

Wenn das Telefon dann mal klingelt verstecken wir uns mit der Gabel hinterm Sofa, so unbekannte Geräusche machen uns Angst.
Und wehe, man trifft Menschen in freier Wildbahn, was sagt man da nur?

Reden ist anstrengend, man muss zuhören, mitdenken, antworten, das Richtige oder Falsche sagen. Beim mailen und simsen jedoch kann ich mir fünf mal durchlesen was genau ich jetzt beantworten will und meine Antwort selbst noch drei mal überprüfen, selbst wenn diese schon längst weggeschickt wurde. Komisch, dass wir dennoch so viele Schreibfehler finden können trotz des mehrfachen Durchlesens, dabei schreiben wir doch so viel und müssten es können. Klar labert man schnell mal einen Stiefel zusammen, vergreift sich im Ton oder tritt jemand im Eifer des Gespräches auf den Schlips. Lernt man so aber nicht Sozialkompetenz? Wann merke ich bei einem geschriebene Gespräch, wann meinem Kontakt etwas gefällt und wann nicht? Klar, sobald keine Antwort mehr kommt ist entweder das Internet gelöscht, die Telefonmasten gekappt worden oder der Akku leer. Jedenfalls gehen wir eher nicht davon aus, dass uns einfach nicht geantwortet werden will weil man sauer ist. So feinfühlig muss man erstmal sein.Es macht natürlich Spaß allen möglichen Mist und alle Erlebnisse und komischen Gedanken mal loszuwerden, die Freunde damit online mit Bildbeweis zu beglücken und dummes Zeug zu schreiben. Es ist ein Lebensgefühl geworden. Aber die richtige Erfüllung findet man meiner Meinung nach erst im Gespräch.

Ich liebe es, mit einem Freund auseinander zu gehen und zu merken, der Mund ist leicht trocken, der Bauch zieht, die Gedanken schwirren, ein Gemeinschaftsgefühl aller erste Klasse zu habe und meine Lust zu reden ist für die nächsten Minuten gestillt.


In diesem Sinne, ich bin Wasser trinken.

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