Mit gemischten Gefühlen schaue ich auf das Southside 2018 zurück. Schon vor dem Startschuss waren wir uns zwischenzeitlich nicht ganz so sicher, ob wir den Aufwand für ein eher schwaches Line up ehrlich in Kauf nehmen wollen. Ich hatte für das 20 jährige Jubiläum irgendwie eine hochkarätiges Auswahl an Bands erhofft. Als wir uns 2016 für das Southside entschieden haben war einzig und alleine das Line up der ausschlaggebende Punkt. Nachdem wir abgesoffen sind habe ich es auch für 2017 als in Ordnung empfunden, dass es in der Veranstaltungskasse etwas sparsamer zugehen muss. Aber 2018 hätte man gerade für das Jubiläum ein paar musikalische Kracher holen sollen. Mit deutlich abgeschwächter Vorfreude machten wir uns also dieses Jahr an die Vorbereitungen und auf den Weg nach Neuhausen ob Eck. Unsere Anreise am Donnerstag Abend verlief reibungslos und wir fanden noch einen schönen Platz auf dem Green Camping. Ganz bewusst haben wir uns wieder für das Green Camping entschieden. Die Leute sind cool aber nicht so überdreht. Die Hormone spielen nicht mehr so verrückt, es ist sauber, die sanitären Anlagen absolut in Ordnung und man kann Nachts eine Mütze Schlaf abbekommen ohne am Morgen von lärmenden Saufnasen geweckt zu werden. Für unser Alter der absolut angemessene Campingplatz! Mittlerweile gibt es ein eigenes Kombiticket für das Green Camping, was in meinen Augen eine sehr gute Lösung ist. So kann deutlich besser der Platzbedarf eingeschätzt werden und auch die sanitären Anlagen wurden merklich aufgestockt. Dank Bollerwagen und reichlich Erfahrung beim Packen für Festivals stand kurzerhand unser Zelt. Im beginnenden Sonnenuntergang schmeckte das erste Bier und wir waren bereit, in die Parallelwelt eines Festivals einzutauchen.
Mit dem Bier in der Hand machten wir uns auf den Weg zum Lager der Hessen. Über Anna habe ich den Andi aus Frankfurt kennengelernt. Bereits letztes Jahr habe ich ihn nach seinem Besuch beim Roten Kreuz auf dem Southside getroffen und seine Brandwunde mit unserem Eis gekühlt. Dieses Jahr stolperten wir ihm direkt am Eingang zum Campingplatz über die Füße. Bei ihm und seinen Leuten angekommen waren wir direkt im Festival Fieber. Fachsimpeln über den Aufbau von Zelten, die kommenden Bands und ob Thor wirklich Isländer ist obwohl er doch Nico heißt. Die wichtigen Fragen des Lebens also und ich erlebte im Selbstversuch, dass Bembel aus der Dose auch warm sehr trinkbar ist. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur Landebahn. Der Zugang zum Festival Gelände wird für die Leute vom Green Camping und dem Resort erst am Freitag nachmittag geöffnet. Wir quetschten uns also in einen Shuttlebus und fuhren nach Mordor. Angekommen waren wir wieder gänzlich sprachlos über die Zustände auf dem normalen Campingplatz. Hier kann man Hormone bei der Arbeit sehen! Kur vor den Toren zum Festival Gelände erreichte uns die Nachricht „White Stage wegen Überfüllung geschlossen“. Damit hatte sich der Auftritt von Heißkalt für uns erledigt und wir traten den Heimweg zum Green Camping an. Dort winkten Dosenbier, Campingstühle und weitere Fachgespräche über die Hygiene auf Festivals. Die einsetzende Kälte der Nacht weckte in mir den Wunsch nach meinem kuschligen Schlafsack und wir verabschiedeten uns aus der Runde. Mit dem Wetter hatten wir uns tatsächlich verschätzt. Mit kühlen Temperaturen hatten wir zwar gerechnet, aber das ich zitternd vor Kälte in meinem Schlafsack liegen würde hatte ich nicht erwartet. Erst mit den ersten Sonnenstrahlen fiel ich in den Schlaf. Warum zu Hölle war ich davon überzeugt, meinen UNIQLO Heattech Leggins nicht zu brauchen?
Der Freitag begann für uns daher eher verschlafen am frühen Vormittag mit einer Portion Nudelsalat. Auf dem Gaskocher brühte ich mir in meinem Espressokocher von Bialetti einen großen Kaffee und freute ich wie Schnitzel darüber. Die kleinen Freuden des Lebens! Nach einer kurzen Katzenwäsche begann das fröhliche An- und Ausziehspiel. Sobald die Sonne sich blicken ließ wurde es richtig warm, die nächste Wolke war jedoch nicht fern und der Pullover kam direkt zum Einsatz. Ein hoch auf den Zwiebellock! Der Zugang zum Festivalgelände wurde um 15 Uhr geöffnet und wir machten uns gemütlich auf den Weg. Erst erkundeten wir ein wenig das Gelände und gingen dann weiter zu Drangsal. Anschließend versorgten wir uns auf der Landebahn mit Dosenbier. Am Stand von Beck’s CampFM wurde auf einer Leinwand Fußball übertragen. Wir machten es uns also in der Sonne gemütlich, bestaunten das bunte Treiben und tranken gemütlich ein Bier nach dem anderen. Zu NOFX waren wir wieder zurück an der Green Stage. Mein persönliches Highlight war natürlich Kraftklub. Wir stellten uns in den zweiten Wellenbrecher, was sich leider als absolut bescheiden erweißen sollte. So Anstandslos wie es auf der Landebahn zugeht, so Rücksichtslos geht es zum Teil vor den Bühnen zu. Es begann ein Quetschen, Drängen, Ziehen und Schieben, wie ich es selbst bei The Prodigy noch nicht erlebt habe. Mit einem „ich will nur kurz mal durch“ wurden wir unter dem Einsatz von Ellenbogen aus gleich zwei Richtungen gegen den Wellenbrecher gedrängt. Nicht nur einmal war ich geneigt, das transportierte Bier dieser Drängler entweder an mich zu nehmen oder es ihnen aus der Hand zu schlagen. Kraftklub lieferten wieder eine verdammt geile Show ab! Dennoch waren wir froh, als sich die Massen an Menschen in alle Himmelsrichtungen auflösten. Nach einem Abstecher bei James Bay ging es noch zu Egotronic und der Abschluss war für uns Portugal. The Man. Für die Nacht und die Kälte gingen wir taktisch vor und kuschelten uns eng aneinander. Die Schlafsäcke wurden doppel über uns gelegt und ich hatte mehrere Kleidungsstücke angezogen. Es war zwar etwas wärmer aber ich verfluchte dennoch die Abwesenheit von Fleecejacken und Thermo Leggings. Ach hätten wir doch nur Schnaps….
Am Samstag morgen steckte ich meine Nase in der Morgensonne aus dem Zelt und trabte erstmal zum Klo. Auf dem Green Camping wurden in diesem Jahr neue Toiletten aufgestellt. Wie im Flugzeug wurde die Notdurft unter Hochdruck weggesaugt und es standen jederzeit sehr saubere Toiletten zur Verfügung. Eine deutliche Verbesserung! Anschließend kuschelte ich mich erneut in unsere Schlafsackburg und gönnte mir eine weitere Portion Schlaf. Gegen Mittag wurde es dann Zeit für eine Dusche. Wenn man keinen Strom und somit keinen Föhn hat, dann muss man sich genau überlegen wann man sich die Haare waschen geht. Ein Erkältung wollte ich unbedingt vermeiden. An einem Festival Vormittag hat man ja genügend Zeit und so stand ich erst eine halbe Stunde bei den Toiletten und dann noch einmal eine halbe Stunde bei der Dusche an. Auch hier wurde gut aufgerüstet und neben einem Duschzelt standen uns dieses Jahr auch Duschwägen mit Einzelkabinen zur Verfügung. Der Wasserdruck in Kombination mit Kaffee weckte alle Lebensgeister. Anschließend ging es für uns im Schweinsgalopp zur Red Stage. Dort legte die Jägermeister Blaskapelle einen überragenden Auftritt hin! Zwischen Menschen, die noch immer besoffen sind und solchen, die es schon wieder sind, standen wir und schwitzten zum ersten Mal beim Southside. Warum war ich noch mal Duschen? Als nächstes freuten wir uns auf die Donots. Bei strahlendem Sonnenschein suchten wir uns einen Platz im ersten Wellenbrecher und freuten uns über einen wiedermal sehr gelungenen Auftritt. Punktrock ist und bleibt einfach perfekt für ein Festival. Letztes Jahr hatten wir beim Fest in Karlsruhe zum ersten mal Feine Sahne Fischfilet gesehen und waren von ihnen begeistert. Mit einem frischen Bier in der Hand ließen wir uns auch dieses mal mitreißen. Wie es ein Mensch schafft, auf einer Mülltonne stehend mit dieser Crowdsurfing zu betreiben bleibt mir ein Rätsel, es war aber sehr sehenswert! The Offspring tauschten wir gegen Fußball. Deutschland gegen Schweden stand auf dem Spielplan und wir fieberten auf der Landebahn mit. Für die Nerven gab es Handbrot und Cola. Als Toni Kross uns kurz vor Abpfiff endlich erlöste war der Jubel groß. Fröhlich zog es die Masse wieder aufs Gelände zu den Broilers. Mein persönliches Highlight waren heute jedoch Billy Talent. Mit dieser Band verbinde ich einen der wunderschönsten Festival Momente. Das erste mal gesehen habe ich Billy Talent 2009 bei Rock am Ring. Zu Rusted from the rain begann es damals leicht zu Regnen. Perfekter geht es einfach nicht! Den Abschluss bildete Marteria. Über seinen Auftritt haben wir lange geredet und es war wiedereinmal der beste Beweis, dass die Geschmäcker komplett verschieden sind.
Mit dem Sonntag begann auch der letzte Festivaltag. Wir hatten uns schon im Vorfeld entschieden, dass wir am Abend nach Hause fahren. Letztes Jahr hatte das nach Linkin Park super geklappt und die Nacht im eigenen Bett gewinnt immer gegen eine Luftmatratze. Ganz besonders bei den saukalten Temperaturen in der Nacht. Nach dem Aufstehen folgte eine Katzenwäsche, ein Kaffee und ich begann damit, die letzten Bierbestände zu plündern. Der Mann gönnte sich als Fahrer noch eine Runde Schlaf. Gegen Mittag weckte ich ihn jedoch mit dem Hinweis, dass ich wohl bald nicht mehr in der Lage sein würde, das Zelt fachmännisch abzubauen. Das Bier zeigte Wirkung. Mit wenigen Handgriffen räumten wir unseren Platz und verbrachten alles sicher im Auto. Für ein letztes Handbrot und Prinz Pi betraten wir das Festival Gelände. Der Mann chillte sich einen von der Waffel und ich rappte ganz im geheimen vor mich hin. Da klopft es mir von hinten auf die Schulter. Vor mir steht die Lisa von joinwolfclub. Wir kennen uns von einem Bloggerevent und es war eine schöne Überraschung, dass wir uns getroffen haben. Nach Prinz Pi setzten wir uns vor der Red Stage auf den Rasen und lauschten Madsen. Dann war aber irgendwie die Luft einfach raus. Wir schauten uns in die Augen, Pabschd machte den Vorschlag einfach jetzt schon nach Hause zu fahren und ich hatte keine Einwände. Klar hätte ich die Auftritte von Dendemann, Beginner oder Pennywise noch angeschaut, aber so richtig gereizt hat mich nichts davon. Das wir beim Auftritt von The Prodigy das Festival verlassen würden hatten wir bereits geplant. Dafür haben wir The Prodigy einfach schon zu oft gesehen und daheim wartet ein Bett, ein warmes Bett! So verließen wir am frühen Abend Neuhausen ob Eck. Zu Hause angekommen machten wir uns direkt noch ans aufräumen und verstauten Zelt, Luftmatratze und Bollerwagen im Keller. Nach einer Dusche besorgte der Mann für uns Pizza und Salat und wir machten es uns auf dem Sofa gemütlich.
Mein Fazit zum Southside 2018 fällt nüchtern, für mich ungewöhnlich uneuphorisch und eher durchwachsen aus. Das Line up war einfach viel zu dürftig für unseren Geschmack. Das Green Camping hat dafür dieses Jahr noch einmal mehr Bonuspunkte eingefahren und die kurzen Wege zu den Bühnen sind einfach unschlagbar. Auf dem Gelände selbst finde ich die Laufwege nach wie vor ungünstig. Beim Wechsel zwischen Green und Blue Stage muss man unzählige Schlangen an Bier und Food Ständen umlaufen und es geht sehr eng auf dem Gelände zu. Der normale Campingplatz und die Leute dort sind in meinen Augen eine Katastrophe! Klar macht es richtig Spaß, das bunte Treiben zu beobachten und man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Dennoch ist es ein echtes Moloch, jedenfalls der Teil, über den die Hauptwege zur Landebahn und zu den Bühnen führt. Die Sicherheitskontrollen dieses Jahr waren strenger, wurden aber beliebig gelockert, wenn der Ansturm zu groß ist. Eine Hose im Stoffbeutel darf man nicht mit aufs Gelände nehmen, wenn ich aber diese beiden Gegenstände in einen durchsichtigen Turnbeutel macht ist das in Ordnung? Euer Ernst? Das wir mit dem Wetter solche Probleme hatten war unser eigenes Pech. Das nächste mal wird ein Fleece Pullover und die UNIQLO Heattech Leggins sowie das Heattech Longsleeve eingepackt und fertig. Im Großen und Ganzen war das Southside echt in Ordnung. Wäre für unseren Geschmack musikalisch etwas anderes geboten, dann würde ich auch sicherlich mit mehr Freude auf diese Tage zurückblicken. Ob wir nächstes Jahr wiederkommen machen wir also wieder von dem Line up abhängig. Vielleicht denken wir doch noch einmal über ein Rundum-sorglos-Paket beim Southside nach oder trauen uns und treten den weiten Weg zum Novarock an. Die Ärtze sind 2019 dort Headliner. Wir werden sehen…
Southside 2016 – Ein Festival im Schnelldurchlauf
Southside 2017: Kaiserwetter, Bier und Flamungos